M3E Team

2. Feb. 2023 · 8 min read

Batteriewechsel als Alternative zum normalen Laden?

“Die Batterie ist das zentrale Element eines jeden Elektroautos!'' – werden in Bezug auf diese Aussage wohl alle derselben Meinung sein, scheiden sich die Geister jedoch bereits bei dem effektivsten Aufladekonzept eben jenes zentralen Elements: Neben das normale, per Kabel oder auch induktiv durchführbare Batterieladen tritt in letzter Zeit immer mehr der unmittelbare Batteriewechsel an einer Wechselstation. Ist letztere Variante aber überhaupt sinnvoll? Worin bestehen die Vor- und Nachteile gegenüber dem normalen Laden oder Schnellladen? Der folgende Beitrag wird auf Basis der Beantwortung dieser Fragen eine Prognose für den europäischen und nordamerikanischen Raum geben.

Idee des Batteriewechsels ist alt

Die Idee des Batteriewechsels für E-Autos ist nichts Neues, wird bereits Thomas Alva Edison (um 1900) zugeschrieben und ist entstanden, um lange Wartezeiten beim Aufladen zu vermeiden: Die Batterie wird im Optimalfall unverzüglich gewechselt und die Fahrt kann sofort weitergehen. Trotz dieses vielversprechenden Vorteils scheiterten bisher alle Versuche der Etablierung auf dem nordamerikanischen und europäischen Markt. Das Startup Better Place gab 2014 auf und auch Tesla nahm trotz anfänglicher Überzeugung 2015 offiziell aufgrund mangelnden Interesses der Kund:innen vom eigenen Projekt Abstand. In China hingegen boomt das Konzept, wird staatlich gefördert und immer weiter normiert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Batteriewechselstationen seit 2020 ein integraler Bestandteil des hiesigen Infrastrukturplans sind. Mit dem Autobauer Nio, der für die verstärkte Aufmerksamkeit für das Batteriewechselthema verantwortlich ist, versucht sich obendrein seit 2022 einer der zentralen chinesischen Wechselbatterie-Player auf dem europäischen Elektromobilitätsmarkt zu etablieren. Ziel des Konzerns ist der sukzessive Ausbau seines europäischen Power-Swap-Stationennetzwerks, das immer mehr Wechselstandorte für die eigene Marke zur Verfügung stellen soll. Wird das Konzept des Batteriewechsels deshalb in Europa nun eine Renaissance erleben?

Batteriewechsel garantiert optimales Laden

Die Vorteile eines Batteriewechsels sind zurzeit nicht von der Hand zu weisen. Wie schon erwähnt, verkürzt sich die Wartezeit bei einem Wechsel enorm: Während Teslas Supercharger die Batterie in fünf Minuten für ca. 120 km aufgeladen hat, verlässt das Nio-Fahrzeug – wenn es denn nicht davor Schlange steht – die Power-Swap-Station in derselben Zeit mit neuer Batterie und damit kompletter Reichweite – andere Anbieter werben inzwischen sogar mit Wechselzeiten von einer Minute. Obendrein werden die Batterien in den Stationen schonend, vorkonditioniert, antizyklisch und potenziell sinnvoll geladen: Experten träumen bereits von Batterie-Tankstellen, in die überschüssiger grünen Strom gespeist werden kann, der dann bei Nachfragespitzen wieder abgegeben wird.

Notwendige Batterie-Standardisierung ist große Herausforderung

Hier liegt aber schon das größte Problem, denn solche Tankstellen bräuchten einheitlich normierte Batteriemodelle und damit einen Zusammenschluss mehrerer Autobauer, die gewillt sind, ihre Batterien gemeinsam zu standardisieren. Zumindest in Europa und den USA ist eine solche Standardisierung in naher Zukunft jedoch hochgradig unwahrscheinlich, ja fast ausgeschlossen: Die Batterie gilt als das Herzstück des E-Autos und kein Konzern ist bereit, seine Geheimnisse zu teilen oder eventuelle Vorsprünge zu verspielen. Jede Automarke müsste demnach wie Nio ihre eigenen Wechselstationen installieren und ein eigenes Netzwerk aufbauen. Überdies sind schon allein die Autos westlicher Hersteller für einen Wechsel nicht konstruiert – Tesla etwa setzt immer mehr auf direkte Integration der Batterie in die Karosserie. Sollte sich zumindest in diesem Bereich etwas ändern und die Autos auch auf Wechsel ausgelegt werden, stünden im Bereich des Batteriewechsels bei mikromobilen Anwendungen interessante Dienstleister-Beispiele wie Swobbee als Vorbilder zur Verfügung, die mehrere Batteriearten an ihren Standorten aufladen und zum Wechsel anbieten können. Dennoch müsste dann einerseits eine Lösung für den Wechselvorgang an sich gefunden werden (der bei mikromobilen Wechseln wegfällt, die per Hand möglich sind), der gleichermaßen reibungslos für verschiedene Automarken funktionieren muss; andererseits aber auch eine Lösung für die Fülle der einzelnen Batterien, die benötigt werden.

Hohe Investitionen notwendig

Es müssten also enorme Geldsummen für den Wechsel auf Wechselsysteme investiert werden, und darin liegt ein weiterer Nachteil: Aufgrund der schon vorhandenen Ladeinfrastruktur und deren immer rasanteren Ausbaus sehen Expert:innen den Wechselbatterie-Zug für Europa und die USA mittlerweile abgefahren. Die Hürden, gegen das bestehende Infrastruktursystem anzukommen, seien einfach zu hoch. Überdies ist schätzungsweise beziffert worden, dass 90 % aller Fahrten eine Reichweite von unter 400 km haben und es demnach ausreicht, das Fahrzeug bequem nachts vor der Tür oder tagsüber beim Arbeitgebenden zu laden. Eine Batterieaufladung oder ein Batteriewechsel wäre demnach während der Fahrt bei nur ca. 10 % der Fahrten überhaupt relevant. Darüber hinaus müsse, so die Expert:innen weiter, ebenfalls beachtet werden, dass auch die Batterieentwicklung rasant verlaufe und in naher Zukunft bereits Reichweiten von bis zu 1000 km möglich sein werden. Der zehnprozentige Anteil des Unterwegsladens wird demnach noch weiter schmelzen und obendrein werden die Batterien dann wohl auch so schnell laden, dass der Zeitvorteil des Wechsels praktisch nicht mehr gegeben sein wird.

Koexistenzlösung beider Konzepte wahrscheinlich

Alles in allem kann geschlussfolgert werden, dass die Wechseloption lediglich zur bestehenden Ladeoption hinzutreten und diese ergänzen wird. In welchem Ausmaß dies der Fall sein wird, hängt dabei zum einen stark vom Erfolg chinesischer Autohersteller wie Nio auf dem europäischen Markt ab, zum anderen aber insbesondere auch davon, wie sich das Wechselmodell auf dem chinesischen Markt entwickeln wird und die westlichen Autohersteller gezwungen sein werden, sich darauf auszurichten: Denkbar ist eine zweigleisige Lösung, die für den chinesischen Markt Wechseloptionen berücksichtigt, für den ganzen Rest aber weiterhin lediglich auf Ladeoptionen setzt. Denkbar ist aber eben auch eine Kombination aus beidem für alle Märkte und damit der schrittweise Aufbau einer nach einzelnen Herstellern segmentierten Wechselbatterieinfrastruktur auf dem europäischen Markt, die neben die bestehende Ladeinfrastruktur tritt und diese ergänzt. Dass aber einheitliche Wechselbatterien und damit einheitliche Wechselstationen in Europa und den USA zum Standard werden, steht eher zu bezweifeln.

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